Die Corona Pandemie hat uns allen gezeigt, wie wichtig es ist, vereint und klug zu handeln. Doch die aktuelle Krise wird nicht die letzte gewesen sein. Es ist nun wichtig, nicht nur nach einem Impfstoff für den Virus zu suchen, sondern unsere ganze Gesellschaft gegen weiter Krisen zu immunisieren. Während in der Vergangenheit Erfolg oft von einzelnen Helden und Heldinnen abhing, wird er in Zukunft davon bestimmt werden, wie intelligent wir zusammen als Gemeinschaft agieren.
Zur Zeit vergeuden wir aber viel zu viel Potential mit Insellösungen und ineffizienter Kommunikation. Digitalisierung kommt vor allem den Großen zugute. Trotz des ungeheuren Potentials, das die Vernetzung engagierter Individuen hätte, scheint das Web nur einzelne intelligenter, uns als Gemeinschaft aber dümmer zu machen (Empörungskultur statt Partizipation, Meinungschaos statt Wissen).
Dahinter steht ein nur vermeintlich offenes Internet, das aber tatsächlich in viele Fürstentümer zerfällt. Das ist für die Wirtschaft ausreichend, denn welche Firma möchte ihre Geschäftsgeheimnisse, und das sind heute oft Nutzerdaten, schon mit andern Firmen teilen? Und so wurde Internet-Software vielfach nur für diese Informationssilos optimiert.
Glücklicherweise ist das nicht die ganze Geschichte…
Eine in den letzten Jahren wieder stark gewachsene Gemeinde von Engagierten, die das ursprüngliche Ethos des Internet nicht aufgeben wollten, hat fleißig an Alternativen gearbeitet. Zusammengenommen werden diese gerne als Web3 bezeichnet und sind inzwischen so gut gediehen, dass sie nicht länger ignoriert werden können. Wir finden, es ist Zeit, darauf aufzubauen.
Wir schlagen daher eine auf Web3 Techniken aufbauende Open Source Infrastruktur vor, die es erlauben wird, die üblichen Grenzen zu überschreiten, ohne auf ein zentrales System oder vorab getroffene Absprachen zurückgreifen zu müssen. Eine erste Skizze haben wir im Zuge des Hackathon der Bundesregierung gegeben. Eine genauere Beschreibung wird bald hier folgen.
Diese Open Source Infrastruktur soll, gleichsam digitalen Nervenfasern unserer kollektiven Intelligenz, die Bündelung von Kompetenz, Wissen und Engagement über die bisherigen Grenzen hinweg ermöglichen.
Eine solche gemeinschaftlich getragene Infrastruktur hat unzählige Anwendungen. Hier sind zwei Beispiele.
Die Covid-19 Pandemie
In Krisenzeiten ist es wichtig richtig, schnell und vereint zu handeln. Dazu brauchen wir verlässliche aktuelle Daten, gute Analyse und eine verständliche Vermittlung derselben. Nur so bekommen wir Einsicht und Kooperation. Tatsächlich ist die Übermittlung von verifizierten Neuansteckungen aber so uneinheitlich und langsam, dass selbst das RKI teilweise die falschen Schlüsse gezogen hat. Über die Anzahl der durchgeführten Tests besteht komplette Uneinigkeit. Der Stand der Immunisierung unserer Bevölkerung ist gänzlich unbekannt. Und wie sieht es eigentlich an der Basis unserer Wirtschaft genau aus? Wissenschaftler könnten aus diesen Informationen genaue Modelle erstellen. Die heutige Kausalitätsforschung erlaubt mit den richtigen Daten sogar zu erschließen, welche Maßnahmen welche Effekte gehabt haben. Apps, welche nie leichter zu erstellen waren, könnten jedem einzelnen Bürger diese Erkenntnisse in Echtzeit präsentieren. Tatsächlich wurde das folgende Interface Design von einem 15jährigen Schüler an nur einem Wochenende erstellt.
Mit einer Infrastruktur, wie wir sie vorschlagen, könnte jeder einzelne Zugang zu den besten und aktuellsten Informationen haben. Wir würden nicht nur genau sehen, was uns bevor steht, sondern auch gemeinsam erleben, wie wir durch kluges Handeln einen Unterschied machen können.
Beispiel Produkttransparenz
Naturzerstörung ist ein Problem, das uns Menschen schon lange begleitet. Warum haben wir nicht schon viel größere Erfolge erzielt? Ein fundamentales Problem ist, dass der übliche politische Prozess langsam und mühselig ist und damit den technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen weit hinterher hinkt. Was wäre, wenn wir den Spieß umdrehen könnten, wenn wir den Markt für die Lösung von Umweltproblemen aktivieren könnten?
Stell dir eine App vor, die nicht nur deinen genauen CO2 Verbrauch pro Monat anzeigt, sondern darüber hinaus auch noch Vorschläge für alternative Produkte macht, zusammen mit der Einsparung an CO2, die möglich wäre. Wie viele Menschen würden eine solche App nutzen, um ihr Verhalten zu ändern, auch wenn es etwas teurer würde? Eine Menge, wenn man sich den immer breiter werdenden Erfolg von Umweltbewegungen vor Augen hält.
Anstatt also einen langwierigen Aufklärungsprozess in Gang zu setzen, in der Hoffnung, durch Gesetze von oben einen Unterschied zu machen, könnten wir den Firmen von unten her Beine machen. Nichts wirkt in einer Marktwirtschaft besser als die Angst, Kunden zu verlieren.
Warum so etwas bisher noch nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Wir Kunden haben schlichtweg keine wirklich verlässlichen Informationen darüber, was ein bestimmtes Produkt mit der Umwelt macht. Wir leben in einer verkehrten Informationswelt, Firmen wissen mehr über uns, als es uns lieb sein kann, während der Einzelne im Dunkeln tappt. Deshalb müssen wir den Spieß umdrehen. Bürger sollten ihre Daten schön brav bei sich behalten, während Firmen transparenter werden müssen.
Unser Vorschlag ist also, Digitalisierung in den Dienst des Einzelnen zu stellen. Dazu müssen verschiedene Probleme gelöst werden. Die Privatsphäre von Bürgern muss garantiert sein, während auf der anderen Seite Firmen, Behörden und Institute transparenter werden müssen. Der Zugang zu allen gesellschaftlich relevanten Daten muss frei und offen sein. Die Authentizität der Datenquellen sowie die der Weiterverarbeitung muss garantiert werden. Und zu guter Letzt brauchen wir auch noch einen gesetzlichen Rahmen, der dies alles ermöglicht. Dies mag alles sehr ambitioniert klingen. Aber eins ist klar, die technischen Grundlagen hat das Web3 schon geschaffen, daran wird es nicht scheitern. Für den Rest braucht es noch den politischen Willen. Aber die Zeiten waren nie drängender und das Problembewusstsein nie höher.